Unter der Stillflut
Das Flüsternde Riff begann als Ahnung in den Knochen. Noch bevor Elun Var das Wasser schnitt, lag das Flüstern der Korallen wie dünner Druck in den Ohren, Worte ohne Mund, gleichmäßig, unendlich. Das Riff war blassblau und fast durchsichtig, Finger aus Wachstum, die in die Strömungen griffen und sie in Echohäute verwoben. Zwischen den Rifftürmen glitten Vorhänge aus Algen, die sich bei jeder Berührung zurückzogen wie scheue Klingen. Zwischen zwei Korallenrücken öffnete sich ein Flüstergleis: eine schmale Rinne, in der das Wasser anders lag, schwer wie Gedanke. Darin schwebten Brandmale — ovale Vertiefungen im Kalkgewebe, als hätte etwas Atem herausgelöst und zurückgelassen. Elun hielt die Sterntrift-Koralle an den Rand; ihr Sternschleier kroch in die Vertiefung und trug Reste von Bindbruch nach oben, dunkle Flocken mit kaltem Schimmer.
Thael’Syrrs Sternadern wechselten; drei leise Winkel leuchteten auf, eine Richtung, die abgewiesen hatte. Das Flüstern im Riff zog sich, als erkenne es den Blick, und legte zwei Worte in die Strömung, ohne Laut, nur Druck: Heimkehr — Preis. Elun ließ den Schleier zerfallen. Die Rinne schloss sich nicht; sie wartete.
Elun bewegte sich darin wie eine gemessene Falte. Über seiner Haut lagen Strömenschriften — feine Linien, die jede Bewegung des Wassers lasen und antworteten. Sein Umhang bestand aus Stillhaut, die die Kälte trug und den Lärm trennte. Im Innern des Mantels ruhte die Sterntrift Koralle, eine lebende Orakelkoralle der Tiefe, in der Gestalt anpassend an den magischen Druck, glaßblau schimmerndt. In ihrem Kern wanderten feine Sternfunken, als würde das ksomsiche Leuchten selbst in der Orakelkoralle pulsieren. Wenn Elun sie atmen ließ, entließ sie Sternschleier in sanften Pulsen; der Schleier hing wie zarter Nebel im Wasser und schrieb die Strömung zu Mustern — er zeigte, wann die Wasser Erinnerung trugen und wann sie Verzehr wurden.
Neben ihm schwebte sanft in der Strömung Thael’Syrr, ein Lythari. Kein Leib aus Seelenhaut, sondern ein wandelndes Riff: kristallisierte Seelenfragmente, die in der Tiefe eine neue Bindung gefunden hatten. Durch ihn liefen Sternadern, glimmende Linien, die langsam pulsten und Antwort gaben, wenn Fragen auf die Welt gelegt wurden. Er sprach nicht in Lauten; sein Korallenschimmer wechselte in Wellen, und Elun antwortete mit Handflächen Gesten, die die Strömenschrift in bedeutungsvolle Muster brachen.
„Kaelyss vel Koryneth.“ — Erkenntnis liegt in der verborgenen Wahrheit.
Das Flüstern im Riff nahm Form an. Schleierheuler regten sich in den Schatten: nebelhafte Leiber, Finger wie Riffkrallen, die in die Lücken der Welt griffen und Sinn auseinandernahmen. Sie zogen an allem, das Tat hieß, und ließen Nachhall zurück, der wie Müdigkeit schmeckte. Elun hob die Hand, und die Sterntrift Koralle atmete auf: Das Flüstern sprang kurz in eine sichtbare Welle, ein Stillmuster, das zeigte, von wo die Heuler die Strömung aufrissen.
Thael’Syrrs Adern wechselten ins Dunklere. Ein Sternbild formte sich über seiner Brust, eine Antwort: Thalyss. Die Korallenstadt lag nahe, auf einer Stufe aus lebendem Kalkgewebe. Das Riff selbst zog dahin wie eine stumme Prozession. Türme, die als Atem der Tiefe pulsten; Brücken aus leuchtenden Wurzeln, die sich schoben und wieder schlossen. Über allem glomm es, als sei Nachthimmel in Wasser gegossen worden.
Thalyss wuchs nicht; es atmete. Türme aus Koralle hoben und senkten sich, als atmeten sie die Strömung. Über die Weiten liefen Wurzelbrücken, die bei Schritt Gewicht erkannten und Halt gaben. Die Lythari prüften Elun mit Lichtfragen: Glimmen, das als Frage aufblitzte, und Schattenantworten, die der Körper gab. Keine Klingen, nur Rätsel. Wer bestand, wurde getragen. Im Sternenkorallen Hof von Thalyss standen drei Fragsporne: schlanke Stelen aus Koralle, deren Spitzen Sternstaub hielten. Jede Stelenhaut führte Lichtnarben, die nicht schmerzten, nur zählten. Ein Lythari Ny’val gibt es hier nicht; die Stadt formt die Lythari aus Sternadern und Erinnerungslicht. Wer würdig ist, bekommt eine Schicht im Leib: eine ruhige Linie, die mit der Stadt atmet.
Thael’Syrr hob die Hand; sein Leuchten legte sich über die Stelen und gab eine Gegenfrage: Wessen Rückkehr stört die Tiefe? Die Fragsporne wurden blass; kein Name trat hervor, nur ein Kamm im Wasser, als striche etwas Altes mit Kälte über die Ränder der Stadt. Saa-Lhyrs Korallenadern zuckten, fern und kurz. „Jenseits davon liegt nichts Gutes,“ sagte niemand — doch der Hof wusste es.
Elun folgte Thael’Syrr an ein Tor, das aus Sternadern bestand. Der Lythari ließ seine Linien dunkler fließen; die Adern gaben nach wie geöffnete Augen. Dahinter wartete ein Hof aus Abyssglas. Bögen, die das Flüstern fingen und als Strömungszeichen zurückwarfen. In der Ferne hing ein Saal wie eine Blase am Turm, die Taverne von Thalyss.
Die Flüsterkelter war keine Halle, sondern ein Kelchpolyp, dessen Wände Korallenhaut trugen, die bei jedem Atemzug der Tiefe leise schimmerte. Die Schwelle bestand aus Stillrippen, die dem Eintretenden die Lautstärke aus dem Leib zogen. Innen schwebten Tafeln aus Orakelpolyp, an deren Rändern Bindtau hing wie kalter Regen, der nicht fiel. Die Tische waren aus Seelenkalk, deren Fasern Erinnerung hielten; auf ihrer Oberfläche liefen Stillspiralen, die jeden Puls kurz in Muster gossen.
Regale aus Glimmkrone, einer Koralle, die dünnen Dunst entließ, der in Flüsterranken zerfiel. Sie hielten Stilltränke und Riffdestillate. an Schleierfäden baumelten Tidenmarken, kleine gezogene Glyphen, die Strömung banden, für drei Atemzüge oder einen Schwur. Hinter dem Tresen schwebte ein Stillsegel aus Korallenhaut, sein Schimmer verdichtete sich, wenn Vergessen den Kelch betrat.
Die Wirtin Saa Lhyr entstieg einem niedrigen Becken; ihre Haut war aus Korallenseide, und über ihrem Schlüsselbein pulsierten Korallenadern. Ihre Stimme war tief und still. Sie stellte zwei Tiefenschalen auf den Seelenkalk. Über dem Tresen flackerte das Stillsegel nur einen Hauch, als die Strömung kantig wurde. Auf einem Schwebetafel-Rand perlte Bindtau zu einem Kreis und blieb dort stehen, als hinge etwas am Eingang, ohne einzutreten. Saa-Lhyrs Blick ging nicht zur Tür; er ruhte zwischen zwei Regalfächern, wo Flüsterranken eine unsichtbare Form umgriffen und wieder losließen.
„Kauft euch nicht frei,“ sagte sie leise in die Luft. „Wer stiehlt Stimmen, bringt Zug in jede Nähe.“ Der Kreis im Bindtau zuckte, löste sich, floss in die Tafel zurück. Thael’Syrrs Sternadern wurden schmal.
„Euer Schritt trägt Fremdströme,“ sagte sie, und der Kelch wurde still.
Elun legte Resonanzstaub auf die Tischspirale. „Wir suchen Skaal’Vesh — den Heulhüter.“
Saa Lhyrs Adern flackerten einmal. „Dann trinkt Schleierkalm. Er dämpft das Heulen an euren Kanten.“
Der Trank war nicht bitter und nicht süß; er legte sich wie Kühle unter die Rippen und ließ das Riff ruhiger atmen. Thael’Syrr leuchtete hell aus den Händen: Zustimmung. Saa Lhyr legte zwei Strömungsbänder auf den Tisch. „Wenn der Algenumhang fällt, binden sie euch an euren Halt. Lasst sie nicht reißen.“
Elun spürte, wie die Flüsterkelter ihnen die Geräusche aus den Knochen nahm. Das Riff jenseits der Wände flüsterte weiter, doch gedämpft, als hielte die Taverne die Strömung außerhalb der Haut.
Sie stiegen aus Thalyss in eine Rinne, in der das Flüstern dichter wurde. Am Fuß der letzten Wurzelbrücke lag ein Umkehrrand, ein halbmondförmiger Absatz im Korallenboden, überzogen von Riffreif. Darin steckten Fasern aus Wolkenalge, jede mit einem Namensrest wie ein dünner Schatten. Elun berührte keinen; die Sterntrift-Koralle genügte. Ihr Schleier hob die Fasern an wie Federn auf stiller Luft.
Die Fasern zeigten zurück in die Stadt und zugleich hinaus ins Riff: beides. Ein Handel, der keinen Weg kennt, nur Zug. Thael’Syrr legte seine Sternadern über den Halbmond; zwei Risse wurden sichtbar, fein wie Lippen im Stein. „Izdrael hat hier getauscht,“ sagte Elun, „und nichts behalten. Was er trägt, trägt ihn fort.“ Thalyss hinter ihnen atmete schwerer. Das Flüsternde Riff legte Worte in die Strömung, die wie Erinnerung schmeckten: Kehrt um. Ihr seid zu spät. Ihr wart nie hier. Elun ließ die Sterntrift Koralle atmen; ein Sternschleier legte sich in den Gang. Das Flüstern verzog sich zu Falten, in denen Lüge von Erinnerung zu trennen war. Das Wasser verklebte an den Rändern der Sicht. Eine Vordecke fiel: feine Algenfäden, die nicht berührten und doch hielten. Zwischen ihnen hingen Augengruben, welche Orte zeigen, an denen Blick verlorenging wie Sand. Elun hielt die Sterntrift-Koralle höher; ihr Sternschleier blieb am Nichts hängen, als hätte die Strömung dort keinen Boden.
„Nicht schneiden,“ dachte er, „verschieben.“ Der Schleier verlagerte sich und lag plötzlich hinter den Fäden, als wäre der Weg nie anders gewesen. Thael’Syrr fuhr eine Sternfurche durch die nächste Öffnung; sie blieb. Der Umhang merkte es — und kam näher.
Dann sank die Dunkelheit. Der Algenumhang fiel in Fäden, die Sicht löschten und Weg zu Stillstand machten. Die Algen legten Hypnose in den Blick; jeder Schritt schien derselbe. Doch die Strömungsbänder an Eluns Handgelenken blieben kalt und strafften sich, wenn Tiefe an ihnen zog. Thael’Syrr ließ die Sternadern aufleuchten, schmale Linien, die wie Sternenfurchen durch den Umhang schnitten.
Ein Schleierheulen gleitete zwischen den Korallen: nicht Geräusch, eher eine Präsenz. Hände wie Riffkrallen griffen aus dem Nebel, und Sinn rutschte. Elun zog Stillschrift aus seinem Mantel, dünne Glyphen, die an den Algen klebten und sie in Schlaf wickelten. Drei Heuler zerflossen, ließen Hohlhaut zurück, die sich krümmte und zu Staub sank.
Zwischen den Säulen lösten sich Fahlpolypen vom Stein, fluteten wie zerrissene Segel durch das Wasser; in ihren Säumen hingen Stimmenreste, die an Knöcheln klebten und Atem schwerer machten. Aus den Ritzen glitten Seelensucher, halb Alge, halb Erinnerung, tasteten nach Wärme, die hier Bindung hieß, und scheuten zurück, als Eluns Sterntrift Koralle blass aufglomm. Ein Husten der Strömung, und Stille setzte auf Dinge wie Staub. In einem Seitengang hing eine Rippenbank aus Koralle; darauf lagen Maskenhäute, zu Ringen gerollt. Jemand hatte sie probiert und wieder vergessen.
Ein Schatten knickte gegen den Rand des Ganges. Izdrael Sargstrom warf keinen Blick zurück; der Wolkenalgen-Mantel trug Fremdlicht, das nicht hielt. Er hob die Hand, und Schrift in Schnittfarbe stand kurz über den Maskenhäuten, dann erlosch sie. „Keinen Namen heute,“ sagte er zu nichts. „Nur Zug.“ Die Maskenhäute wurden dünn und sanken.
„Izdrael,“ sagte Elun, als der Umhang verlief. „Du trägst sie an die Kanten.“
Die Antwort war Hunger. Aus einer Spalte traten Gestalten, gebunden in Algen, die Augen schwarz und leer: Umhangträger. Ihr Anführer, Izdrael Sargstrom, trug einen Mantel aus Schwarzwolkennalge, in dessen Fasern Namensreste hingen. Seine Hände waren mit Schnittliturgien verziert, die Strömung entfesselte und wieder band. Um seinen Hals lag ein Kranz aus Seelenschlick, der bei jedem Atemzug dunkler wurde.
„Flutenspiegel,“ sagte er leise, die Stimme ohne Wärme. „Du bringst mir zwei lichte Fragen.“ Seine Augen blieben an Thael’Syrrs Sternadern hängen. „Altes Leuchten. Guter Preis.“
Thael’Syrr antwortete nicht. Sein Leuchten wurde schwer, und die Türme des Riffs atmeten kurz tiefer mit.
„Gib uns die Heulerpfade,“ sagte Elun. „Wir nehmen nur das, was wir gebunden haben.“
Izdrael lächelte nicht. Er hob die Hände, und Algenumhang floss wieder, doch diesmal nicht als Wand, als Schlinge. Strömung wand sich um Eluns Knöchel, zog an seinen Erinnerungen; Schleierheuler kamen mit, Hände wie Fragen, die den Leib aus Antworten leerten. Im Schlepp der Schlinge huschten Hungerlinge, blasse Züngel, die an Gedanken fraßen. Wo sie strichen, verloren die Dinge Umriss.
Elun hielt die Sterntrift Koralle an den Puls. Ihr Schleier verdichtete sich; eine Gegenspirale stand gegen Izdraels Schlinge. „Lass die Ströme,“ sagte er. „Du fütterst nur Skaal’Vesh.“
Hinter Izdrael öffnete sich die Tiefe; ein Heulen wuchs, vielschichtig, kalt. Aus den Spalten kroch Skaal’Vesh, der Heulhüter: Er kam als Abwesenheit. Man sagt, Skaal’Vesh sei kein Erwachter, sondern ein Rückfluss: das, was vom Heulen bleibt, wenn es zu lange im Riff wohnt. Einmal war dort Bindung, doch sie platzte und ließ Schwarzsenken zurück; an ihren Rändern wachsen Leerfäden, die Erinnerungen stumpf machen, bis sie abfallen wie Haut.
Wenn Bindbruch an Bindbruch gerät, wird der Ort Kälte und fängt Sinn an den Rändern. Was hineinfällt, kommt fremd wieder, oder nicht. Skaal’Vesh trägt solche Orte; in seinem Leib stehen sie offen. Wo er wartet, sinkt die Strömung ein. Seine Schwarzsenken fraßen Ränder aus den Dingen und ließen Koralle ohne Kontur zurück. An seinen Schultern hafteten Heulreste wie schwarzer Reif, und aus dem Rücken wuchsen Leerfäden, die Erinnerungen stumpf machten, wenn sie daran strichen. Finger wie beknöcherte Rippen tasteten nach Puls. Wo er ging, fiel Sinn von Dingen, als wäre er nur geliehen gewesen.
Thael’Syrr ließ seine Adern in ein Muster fließen, Thalyss Rätsel, die nur als Licht zu verstehen waren. Drei Türme des Riffs antworteten, und eine Wurzelbrücke wuchs zwischen ihnen, direkt durch den Körper des Heulhüters. Heulen prallte gegen Brücke; es geriet in Stillgrenze. In den Nischen regten sich Grabschuppen — winzige Kruster, die Schuld rochen – und sammelten Heulreste ein und ließen sie als Schwarzhauch Schein im sich wandelnden Riffgewebe auskristallisieren. Schleierlarven wickelten sich darum, bis das Wasser dort dick und kalt wurde.
„Bindung,“ flüsterte Elun, und zog Stillschrift wie Netz. Sie legte sich über Izdraels Umhang; Namensreste glühten auf, erloschen. Izdrael taumelte; sein Seelenschlick löste sich und kroch als Schwärze die Algen hinab.
Skaal’Vesh stieß Zug aus, eine Leere, die Pulsschläge stahl. Eluns Knie gaben nach, doch die Strömungsbänder um seine Handgelenke spannten sich; der Halt blieb. Er legte die Sterntrift Koralle an die Brücke und senkte ihren Atem: Gegenstrom. Das Heulen verfing sich, wurde Stille mit Zähnen.
Thael’Syrr trug die Sternadern in die Brücke und band sie an die Korallenhaut. Die Lythari Stadt antwortete mit einem einzigen, tiefen Leuchtstoß, kein Ruf, eher Zustimmung.
Izdrael fiel auf die Knie. Seine Mantelfasern gaben Schuld frei, kleiner schwarzer Staub, der an den Korallen klebte und dort nicht mehr verschwand. Elun legte ihm Stillschrift auf die Stirn und zog den Namen heraus, den Izdrael in den Umhang genäht hatte. Der Name kam als Schleierfaden, riss und wurde blass.
„Du bist leer,“ sagte Elun. „Geh in die Leere. Ohne Zug.“
Skaal’Vesh blieb. Sein Leib aus Heulen spannte sich und brach dann in Hohlhäute, die sich wie Staub setzten. Was blieb, war ein Schwarzschleier Tor. Eine Öffnung, die Strömung fraß und Geistergries auswarf, feinen Staub aus verlorener Richtung. Elun legte die Sterntrift Koralle an den Rand; ihr Schleier kroch in das Maul und fand Halt. Für einen Atemzug trieben Gestalten wie Schattenhäute im Ring — alte Opfer, dünn wie Erinnerung —, dann brach das Tor ein, als zöge die Tiefe ihren Blick zurück.
Thalyss nahm sie auf, als hätte es kurz vergessen, dass sie fortgegangen waren. Wurzelbrücken glommen; Sternadern in den Türmen flimmerten, prüfend. Im Kelch der Flüsterkelter atmete der Kelchpolyp ruhig. Saa Lhyr stellte ihnen Tiefenschalen hin; darin schwamm Rifflicht wie dünner Nebel.
„Eure Bindung ist unversehrt zurückgekehrt,“ war ihre Stimme tief und still. „Die Heuler sind nicht fort. Sie vergehen nur langsam.“
Elun berührte den Seelenkalk des Tisches; die Stillspiralen zeichneten ihre Rückkehr. Thael’Syrrs Adern hoben still drei Fragen in die Luft. Elun nickte und legte Resonanzstaub aus Izdraels Mantel auf die Spirale. Der Schattenschaum des Stillsegels vibrierte, kaum sichtbar.
„Wir binden Heulreste an die Brücken,“ sagte Elun. „Nicht als Trophäe, als Warnmaß.“
Saa Lhyrs Korallenhaut glomm; sie legte zwei Korallenringe auf den Tisch, gezeichnet mit einer Stillrune. „Tragt sie. Wenn der Algenumhang erneut fällt, hält der Ring euch an Thalyss fest, für drei Strömungen.“
Elun setzte den Ring an, spürte Kälte in die Hand steigen. Thael’Syrrs Adern leuchteten in einem Muster, das die Wurzelbrücken erwiderten. Draußen flüsterte das Riff weiter, doch anders. Als hätte es gelernt, dass Stimmen auch Halt geben können.
„Erynthar shal’vyr.“ — Das Schicksal geht.
In den Stollen hinter der Wurzelbrücke blieb Geruch von Leerfäden in der Strömung, süß und kalt wie Nicht-Heimkehr. An drei Säulen setzte Riffreif an den Kanten an; darin schimmerten ferne Hände als blasse Einbuchtungen, die niemand trug. Eine Grabschuppe kroch darüber und legte Krustenschein frei, nicht Licht, eher Auftritt von Nichtmehr. Hungerlinge wagten sich noch einmal an die Ränder, fanden Halt und wurden zu Staub. Die Sterntrift-Koralle beruhigte ihren Puls; in ihrem Kern liefen die Sternfunken einen Atem lang gegen die Strömung, dann glitten sie wieder mit.
Die Tiefen atmeten, und Tiefenstille hielt die Stille. In den Türmen von Thalyss glomm Sternaderlicht, und die Flüsterkelter hielt eine leise Spur, die die Heuler nicht fraßen. Elun beruhigte die Sterntrift Koralle; ihr Puls kam zur Ruhe. Thael’Syrr veränderte sein Leuchten, ein Dank ohne Laut. Und das Flüsternde Riff trug ihre Schritte, als legte es Stille dorthin, wo vorher Zug gewesen war.
Fern vom Riff, in einem Gang ohne Ränder, lag Izdrael Sargstrom auf dem Rücken. Sein Wolkenalgen-Mantel war blass, die Namensreste darin schwiegen. Er hob die Hand, aber die Schnittliturgien antworteten nicht mehr; die Strömung verzog sich, als sei sein Zug nicht länger verhandelbar.
Im Dunkel über ihm öffneten sich zwei Schwarzsenken, klein wie Augen. Etwas hörte ihn, ohne zuhören zu müssen. Izdrael schloss die Finger. Es war kein Preis mehr zu zahlen; es war nur Weg. Und Tiefe.
